Bei meiner letzten Famulatur vor dem Staatsexamen hatte ich mir fest vorgenommen meinen Traum zu erfüllen und zumindest einige Zeit im Ausland zu verbringen. Das Ziel stand relativ schnell fest: Australien! Ich entschied mich nach einiger Recherche für das Nepean Hospital, einem Teaching Hospital der Sydney Medical School etwa eine Stunde außerhalb von Sydney und absolvierte von Februar bis März 2017 meine Famulatur dort.
Mit meinem Auslandsaufenthalt hatte ich mehrere Ziele. Meiner Meinung nach bietet eine Famulatur im Ausland eine sehr gute Möglichkeit, das Land, die Menschen und deren Kultur kennenzulernen. Zudem wollte ich unbedingt einen Einblick in ein neues Gesundheitssystem bekommen. Ich wollte erfahren, wie das Leben eines Arztes im „Down Under“ ausschaut. Andererseits wollte ich unbedingt meine fachsprachlichen Kenntnisse im Englischen erweitern und in Kontakt mit einheimischen Studenten kommen. Als Land habe ich mir Australien ausgesucht, da mich dieses Land schon immer sehr fasziniert und interessiert hat. Ich habe im Internet einige Erfahrungsberichte gelesen und wurde schließlich durch das positive Feedback vom Nepean Hospital überzeugt.
Zur Vorbereitung habe ich mir ein kleines Wörterbuch gekauft (Medical Dictionary), damit ich die wichtigsten medizinischen Ausdrücke nachschlagen kann. Im Nachhinein kann ich aber sagen, dass man am besten vor Ort lernt und eine spezielle Vorbereitung nicht unbedingt notwendig ist. Für die Unterkunft hat das Krankenhaus extra Räumlichkeiten für Overseas Students, welche nur einige Minuten vom Krankenhaus entfernt sind.
Ich war drei Wochen auf der Intensivstation und zwei Wochen auf der Neurologie eingeteilt. Ich wurde vom ersten Tag an im Team eingebunden. Bemerkenswert war, wie viel Wert hier auf die Ausbildung der Studenten gelegt wird. Die Ärzte nehmen sich viel Zeit für die Studenten. Der Tagesablauf war relativ ähnlich wie in Deutschland. Nach der Morgenbesprechung ging es mit der Visite los, welche aber langsamer und entspannter abläuft. Die Ärzte schauen sich die Patienten sehr genau an und untersuchen diese gründlich, wobei sie gleichzeitig sehr viel erklären. Ich hatte auch den Eindruck, dass das Arzt-Patienten-Verhältnis sehr viel enger ist. Die Visite dauerte etwa drei Stunden. Am Nachmittag gab es entweder Vorlesungen für die einheimischen Studenten oder auch Fortbildungen für die JMO’s (Junior Medical Officers), an denen ich auch teilnehmen konnte. Diese waren unglaublich lehrreich. So viel Ausbildung und Lehre war ich aus Deutschland nicht gewohnt, sodass ich am Anfang wirklich etwas verwirrt war. Mit der Zeit habe ich mich erst daran gewöhnt und habe dies wirklich genossen.
Im Hinblick auf die praktischen Fähigkeiten konnte ich in Australien nicht viel machen, was ich aber schon im Voraus wusste. Blutabnehmen und Nadel legen etc. gehören zu den Aufgaben der der Krankenschwestern, welche ein sehr hohes Ansehen genießen. Auf der Intensivstation war eine einzelne Schwester für einen beatmeten Patienten oder für zwei nicht beatmete Patienten zuständig. Das ist wirklich eine 1:1 Betreuung! Dies war für mich etwas sehr Neues, da in Deutschland oft an Personalkosten gespart wird und die Schwestern deutlich mehr Patienten betreuen müssen.
Wenn man also sein Wissen theoretisch anwenden und weniger praktische Tätigkeiten ausüben möchte, ist man in Australien genau richtig. Man ist eher als ‘‘Observer‘‘ unterwegs. Dies spiegelt sich auch am Dresscode im Krankenhaus wider. Frauen tragen Blusen und feine Hosen oder Röcke. Männer tragen Hemden und Stoffhosen.
Anfangs hatte ich noch Schwierigkeiten, das Englisch zu verstehen, da doch ein gewisser australischer Akzent vorhanden ist. Nach und nach habe ich mich daran gewöhnt und konnte so auch mehr mitnehmen, als am Anfang der Famulatur. Das Krankenhaus ist gut ausgestattet und bietet eine umfassende medizinische Versorgung in fast allen Fachgebieten. Es gehört außerdem zu den Lehrkrankenhäusern der Sydney Medical School der University of Sydney. Auf dem Gelände des Krankenhauses gibt es ein modernes „Clinical School Building“, in welchem der Unterricht stattfindet und sich Computerräume sowie Aufenthaltsräume für die Studenten befinden.
Diese Famulatur war eindeutig die richtige Entscheidung. Ich habe viel gelernt und habe viele neue Erfahrungen gesammelt. Mir hat das Arbeitsklima im Krankenhaus sehr gut gefallen, da die Hierarchien doch sehr viel flacher sind als in Deutschland. Ich verbrachte eine sehr interessante und lehrreiche Famulatur, die durch die aufgeschlossene, offene Art der Australier eine besondere Erfahrung für mich war. Ich kann eine Famulatur in Australien jedem empfehlen und bin sehr glücklich, dass ich die Chance hatte so eine Famulatur abzuleisten.
Zeynep Findik ist Stipendiatin des Avicenna-Studienwerks und studiert Humanmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München.