Avicenna im Auswärtigen Amt

Juni 2017 bis März 2018, Berlin.

Vier unserer Stipendiat/innen haben im Zeitraum von Herbst 2017 bis März 2018 jeweils mehrwöchige Praktika im Arbeitsstab „Friedensverantwortung der Religionen“ des Auswärtigen Amtes in Berlin absolviert. Der Arbeitsstab baut ein internationales Netzwerk von religiösen Vertreter/innen auf, die sich in ihren Ländern für Frieden und interreligiösen Dialog einsetzen. Es werden Beziehungen zu religiösen Akteuren auf der ganzen Welt geknüpft, um sie als Partner in der außenpolitischen Arbeit zu gewinnen. In den letzten Wochen haben wir Ihnen mit unserer Reihe „Avicenna im Auswärtigen Amt“ einen Einblick in die Erfahrungen unserer Stipendiat/innen im Auswärtigen Amt geboten. Den Abschluss der Reihe machte das Interview mit Frau Dr. Silke Lechner, der stellvertretenden Leiterin des Arbeitsstabes Friedensverantwortung der Religionen im Auswärtigen Amt.
Wir bedanken uns für die Eindrücke und das Engagement bei unseren Stipendiat/innen Nedime Sinanaj, Yunus-Emre Güllü, Ziad Elgendy und Neval Parlak.

Folgend finden Sie alle Erfahrungsberichte und das vollständige Interview.

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Im  Rahmen  meines  Bachelorstudiums  der  Publizistik  und  Politikwissenschaft  durfte  ich  ein sechswöchiges Praktikum in der Zentrale des Auswärtigen Amtes in Berlin absolvieren. Dabei war  ich  im  relativ  neuen  Arbeitsstab  „Friedensverantwortung  der  Religionen“  tätig.  Unter anderem nahm ich an Hintergrundgesprächen mit z.T. internationalen Gästen teil und bereitete inhaltlich  eine  Asienkonferenz  mit  Religionsvertretern  vor,  die  sich  vor  allem  den  nicht abrahamitischen   Religionen   widmen   soll.   Als   jemand,   der   selbst   religiös   ist,   diese Verantwortung  von  Religionen  für  den  Weltfrieden  spürt  und  sich  durch  ehrenamtliches Engagement  zumindest  für  gesellschaftlichen  Frieden  einsetzt,  fühlte  sich  diese  Hospitanz quasi  wie  die  Manifestation  und  Personifizierung  der  eigenen  Ideale  und  Normen  an.  Auch wenn es im bürokratisierten AA weniger idealistisch und mehr pragmatisch vorangeht. Durch dieses   Praktikum   habe   ich   die   spannende   Schnittstelle   zwischen   der   internationalen Zusammenarbeit von staatlichen und nicht-­‐staatlichen Akteuren beobachten können, die beide essenziell für die Friedensarbeit sind und sich komplementär ergänzen. Das Praktikum bot mir eine hervorragende Gelegenheit, in den „diplomatischen“ Alltag von Menschen einzutauchen und ein spannendes Berufsfeld kennenzulernen. Dafür möchte ich mich neben dem AA auch beim  Avicenna-­‐Studienwerk  bedanken,  welches  mich  auf  dieses  Praktikum  aufmerksam gemacht   und   tatkräftig   unterstützt   hat.   Das   AA   ist   sicherlich   ein   attraktiver   und abwechslungsreicher  Arbeitgeber,  der  zahlreiche  Chancen  und  vielfältige  Einsatzfelder  zu bieten  hat.  In  diesem  Sinne  ist  ein  Praktikum  im  AA,  egal  ob  in  der  Zentrale  oder  einer Auslandsvertretung, definitiv empfehlenswert.

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Eine Sache fällt im Auswärtigen Amt sofort jedem Neuen auf. Alles und jede Person hat ihren Platz und einen standardisierten Ablauf. Beispiele wären: Der Informationsfluss aus den Botschaften in die Zentrale und von den Referaten zur Leitungsebene oder wie Entscheidungen innerhalb des Amtes gefällt werden. Das zu beobachten empfand ich sehr spannend, ebenso wie den inneren Aufbau der Behörde kennenzulernen und wie abgestimmt die Abläufe und Prozesse sein müssen damit dem Minister zugearbeitet werden kann. Vor allem fand ich beeindruckend wie die verschiedenen Ebenen aufeinander zählen müssen, damit es die Abläufe reibungslos ablaufen.

Diese Erfahrung hat mir ein besseres Verständnis gegeben, wie politische Entscheidungen in deutsche Außenpolitik umgesetzt werden und hat mir die Wichtigkeit der Rolle von Diplomaten in diesem Prozess vor Auge geführt.

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Religion wird heute häufig als konfliktfördernd betrachtet. Gleichzeitig konstatieren viele Friedensforscher und politische Akteure, dass Religionen und Religionsgemeinschaften eine rückkehrende Bedeutung in der Gesellschaft erfahren: In vielen Konfliktsituationen sind es eben doch religiöse Akteure, die zum gemeinschaftlichen Miteinander aufrufen und damit Frieden und Zusammenhalt unter unseren Mitmenschen stiften können. Vom 15. Januar bis zum 16.März 2018 durfte ich mein Praktikum im Arbeitsstab „Friedensverantwortung der Religionen“ des Auswärtigen Amtes im Rahmen meines Studiums der Sozialwissenschaften absolvieren. Da ich zuvor während meines Erasmusaufenthalts am King’s College in London Seminare zu „Religion in internationalen Beziehungen“ belegen durfte und dort das Friedenspotential von Religionen in der Theorie erschöpft wurde, war dieses Praktikum nun eine einzigartige Ergänzung, um diese Theorie in der Praxis zu erfahren. Ich habe miterleben dürfen, wie aufrichtig der Kontakt zu Religionsgemeinschaften gesucht wird, um die internationale Zusammenarbeit zu Friedenszwecken zu unterstützen. Diese aufgeschlossene Haltung stellt in der Bundesrepublik im internationalen Vergleich noch eine große Ausnahme dar. Umso wertvoller ist es, dass die deutsche Außenpolitik dieses Potential von Religionsgemeinschaften erkannt hat und fördern möchte. Zu meinen zentralen Aufgabentätigkeiten gehörte die Recherche von internationalen Institutionen, die sich für Frieden in der Gesellschaft einsetzen und Religion als Motor dafür verstehen. Dadurch bin ich erstaunlicherweise auf eine breite Palette an religiösen Akteuren gestoßen, die ich zuvor nie kannte. Daneben durfte ich mich für Recherchezwecke mit dem Buddhismus beschäftigen, was mir Einblick in eine ganz andere Lebensphilosophie bot. Ferner habe ich an zahlreichen Gesprächen mit potentiellen Kooperationspartnern oder Gästen aus Pakistan, den USA oder Wissenschaftlern, Stiftungen und Religionsgemeinschaften teilnehmen dürfen, was persönlich mein Highlight des Praktikums darstellte. Es schien so, als würden Ideen der Welt in einem Raum Platz finden. In diesen Gesprächen habe ich viele Erkenntnisse gewonnen, die mich persönlich sehr geprägt und positiv gestimmt haben. Abgesehen davon übernimmt man natürlich auch Tätigkeiten, die zum Alltag einer Behörde gehören  wie  die  Pflege  von  E-Mails  und  einer  Kontaktliste,  die  dankenswerterweise  meine Excel-Kenntnisse erweitert hat. Im Vergleich zu Tätigkeiten der Hospitanten anderer Referate muss man aber glücklicherweise zugeben, dass die inhaltliche Arbeit im Arbeitsstab überwog. Ein buntes Hospitantenprogramm bietet außerdem die Möglichkeit, sich mit Hospitanten über die Arbeit in anderen Referaten auszutauschen und sich zu vernetzen. Der   Besuch   von   Veranstaltungen,   wie   Podiumsdiskussionen   oder   die   Teilnahme   am Arbeitsforum  Religion  und  Politik  in  der  Friedrich-­Ebert-Stiftung  bereicherten  meine  Zeit  im Auswärtigen Amt umso mehr.

Zum Abschluss der Praktikumszeit durfte ich noch die Amtsübergabe an unseren Außenminister Heiko Maas miterleben, was sicherlich auch ein unvergessliches Erlebnis für mich war. Festgestellt habe ich, dass in der Bundesrepublik großer Bedarf an muslimischen Wissenschaftlern und Wissen­schaft­ler­innen besteht, die sich mit dem Verhältnis von Religion und Politik und insbesondere dessen Bedeutung für Frieden beschäftigen. Fern von innenpolitischen Diskussionen um die Rolle des Islam in Deutschland sollte also auch ein Blick auf die internationale Landschaft und Diskussionen um Religion gewagt werden.

Es war insgesamt ein bereicherndes Gefühl, so nah am politischen Geschehen zu sein und teilweise auch mitwirken zu dürfen. Als Praktikantin im Arbeitsstab fühlt man sich durch die aktive Mitarbeit in die politischen Prozesse involviert. Die gemeinschaftliche Atmosphäre und aufgeschlossene Haltung des Teams schenkt einem außerdem Selbstbewusstsein, neue Ideen und Anstöße einzubringen. Ich habe sowohl inhaltlich aber auch arbeitstechnisch sehr viel für meine Zukunft mitnehmen können. Dafür bin ich dem Team des Arbeitsstabes sehr dankbar. Es war eine unvergessliche Zeit!

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Unsere Reihe zum Thema „Praktikum im Auswärtigen Amt“ endete mit einem  Interview mit Frau Dr. Silke Lechner, der stellvertretenden Leiterin des Arbeitsstabes Friedensverantwortung der Religionen im Auswärtigen Amt. Das Interview führte unsere Stipendiatin Frau Parlak.

Neval Parlak: Religiöse Friedensverantwortung ist ein großes Wort. Wie kann denn Religion Frieden bringen und nicht – wie oft unterstellt – Krieg? 

Dr. Silke Lechner: Die Betonung liegt auf dem Wort Verantwortung. Es geht darum, das Potential der Religionsgemeinschaften zu erkennen und zu nutzen. Als positives Beispiel möchte ich Mozambique anführen. Dort hat die katholisch geprägte Organisation Sant’Egidio Friedensarbeit geleistet und in den 90er Jahren dafür gesorgt, dass in Mosambik ein Friedensabkommen geschlossen wurde. Die Organisation ist nun auch in der Zentralafrikanischen Republik und in vielen anderen Ländern aktiv. Im aktuellen kolumbianischen Friedensprozess hat die katholische Kirche ebenfalls eine bedeutende Rolle gespielt.

Neval Parlak: Und mit Ihrer Stabsstelle helfen Sie religiösen Akteuren, die sich der Friedensförderung verschrieben haben?

Dr. Lechner: Unser Arbeitsstab ist in der Abteilung für Kultur angesiedelt. Uns geht es darum, insgesamt das Thema der Verantwortung zu behandeln. So haben wir im vergangenen Jahr eine Konferenz mit 100 hochrangigen Vertretern der abrahamitischen Religionen aus 53 Ländern mit verschiedenen Workshops organisiert und dabei auch mit Hilfe des Mediationsteams der Abteilung für Stabilisierung und Krisenprävention im Auswärtigen Amt ein Mediationstraining für Religionsvertreter aus 15 Ländern angeboten. Dieses Jahr werden wir eine Konferenz ausrichten, bei der asiatische Religionsvertreter eingeladen sind.

Neval Parlak: Oft sind religiös geprägte Gruppen Akteure der Zivilgesellschaft. Die klassische Diplomatie beruht doch mehr darauf, dass man sich auf Regierungsebene austauscht.

Dr. Silke Lechner: Genau deswegen ist der Arbeitsstab ja auch in der Kulturabteilung angesiedelt. Im letzten Jahrzehnt hat sich der Aktionsradius der Diplomatie erheblich erweitert. Gerade in der auswärtigen Kulturpolitik geht es uns um eine Außenpolitik der Zivilgesellschaften jenseits der klassischen Diplomatie. Für uns zählen die religiösen Gruppen als nichtstaatliche Organisationen zur Zivilgesellschaft, die ja innerhalb der komplexen Weltlage immer wichtiger werden. Unser Ziel ist es, pragmatisch mit ausgewählten Religionsvertretern zusammenzuarbeiten, die für ihre Friedens­verantwortung einstehen.

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