Warum Indonesien?
Im Hinblick auf meine medizinische Ausbildung schien mir Indonesien ideal, denn als beliebtes Ziel deutscher Backpacker spielen für Indonesien typische Krankheitsbilder (Malaria, Typhus, Dengue) auch in deutschen Krankenhäusern eine Rolle und ich erhoffte mir, genau diese Vorort besser kennenlernen zu können. Außerdem ist es immer wertvoll, in andere Gesundheitssysteme einzutauchen, Unterschiede zu erkennen und Verbesserungsvorschläge für das eigene eingefahrene deutsche Arbeiten mitzunehmen oder eben auch dankbar für das selbige zu sein.
Nach einer langwierigen Internet-Recherche stießen wir letztendlich auf das Sanglah-Hospital in Denpasar, Bali. Das Krankenhaus überzeugte durch eine große Anzahl positiver Erfahrungsberichte von deutschen Medizinstudenten. Außerdem fanden wir direkt eine Ansprechpartnerin, die sehr schnell auf unsere Anfrage antwortete.
Im Krankenhaus
Unser Arbeitstag begann gewöhnlich um 8.00 Uhr mit dem morgendlichen Studentenunterricht. Mich erinnerte der Studentenunterricht sehr stark an deutsche Verhältnisse, der Unterricht fand auf Englisch statt und die Leitlinien waren internationalen Standards angepasst. Zu den im Unterricht behandelten Themen kann man sagen, dass die Auswahl den Schwerpunkten im deutschen Curriculum sehr nahe kommt. Eine sehr wichtige Ausnahme hier ist aber der Bereich der Tropenmedizin, der für den indonesischen Klinikalltag einen sehr wichtigen Platz einnimmt, während er in Deutschland eher stiefmütterlich behandelt wird. Diesen Umstand durfte ich in einer der morgendlichen Unterrichtsstunden auf eher unangenehme Weise erfahren. Das Thema der Stunde war das Dengue-Fieber und kurz vor Ende der Stunde kam der Professor auf die Idee, die deutschen Student/innen miteinzubeziehen und wollte wissen, wie ich bei einem Patienten mit Verdacht auf Dengue die Diagnose sichern würde. Da gäbe es doch eine ganz einfache Methode, die nicht mal invasiv sei. Ich gab zu, nicht die geringste Ahnung zu haben, was sowohl die Student/innen als auch der Professor kaum nachvollziehen konnten. Das Dengue-Fieber stellt in Indonesien ein absolutes Basic für jeden Mediziner dar. Als der Professor dann endlich mit der Lösung „Rumple-Leede-Test“ herausrückte und an meinem Gesichtsausdruck erkannte, dass mir auch das rein gar nichts sagte, musste ich in die Verteidigung gehen und den Anwesenden erklären, dass es in Deutschland kein Dengue-Fieber gäbe bzw. nur von Reiserückkehrern aus Asien.
Erst dann wurde mir glücklicherweise Verständnis entgegengebracht und die Durchführung des Tests erklärt:
- Arteriellen Mitteldruck des Patienten mithilfe einer Blutdruckmanschette bestimmen.
- Blutdruckmanschette mit dem bestimmten Druckwert am Arm des Patienten für 5 min belassen.
- Arm auf petechiale Blutungen inspizieren, falls vorhanden kann man auf Dengue schließen.
Für alle Fans der Pathomechanismen kann ich ebenfalls die Google-Recherche mit den Stichworten „Rumple-Leede“ oder „Tourniquet-Test“ empfehlen. So viel zum theoretischen Teil, doch wie sah die Krankenhaus-Wirklichkeit aus? Wer jemals – und wenn auch nur für einen Tag – auf Bali oder generell in Indonesien war, kann sich sicherlich sehr gut vorstellen, mit welchen Patienten ein Krankenhaus wie das Sanglah Hospital am meisten zu tun haben könnte: Volle Punktzahl, mit verunglückten Rollerfahrern! Der indonesische Verkehr ist der wohl verrückteste, den ich jemals miterleben durfte. Fußgänger sind auf jeden Fall NICHT Teil des Verkehrs, Roller werden für Strecken ab 5 m genutzt und dominieren das gesamte Stadtbild. Für sie scheint der Linksverkehr nicht zu gelten und zum Abbiegen fährt man natürlich auch mal im Gegenverkehr. So ist es auf jeden Fall nicht verwunderlich, dass fast alle Notaufnahmen durch die Folgen von Rollerunfällen dominiert werden: gebrochene Knochen, zerquetschte Füße, Schädel-Hirn-Traumata, usw. Ansonsten gab es aber auch zahlreiche Abszesse, die man in Deutschland niemals in einem so späten Stadium zu Gesicht bekäme. Da Indonesien über kein besonders gutes Krankenkassensystem verfügt, waren viele der dargebotenen Bilder sehr erschreckend, aber riefen sie ins Bewusstsein, wie sehr wir das deutsche Krankenkassensystem schätzen sollten.
Indonesien: Das Backpacker-Land
Zum Schluss würde ich gerne noch einige wenige Worte zum Land Indonesien als Reiseziel verlieren. Unsere Reiseroute startete in der Hauptstadt Jakarta und führte uns über Bandung, Yogjakarta, die Vulkane Mount Bromo und Ijen quer über die Insel Java. Vor allem die Vulkan-Besteigungen bei Sonnenaufgang waren atemberaubend. Von dort aus ging es mit der Fähre nach Bali. Hier waren wir durch das Praktikum hauptsächlich an Denpasar gebunden, aber kleinere Trips an den Wochenenden führten uns nach Ubud und Lovina, wo wir den Monkey-Forest besuchten und an einer Delphin-Tour teilnahmen. Mein persönliches Highlight war aber auf jeden Fall Labuan Bajo und die Region rund um den Komodor-Nationalpark. Auf unserer dreitägigen Boots-Tour sahen wir die wunderschönsten Strände, schnorchelten mit Manta-Rochen und Baby-Haien, bestiegen von pinken Stränden umgebene Berge und suchten nach Komodor-Waranen in ihrem natürlichen Habitat.
Indonesien ist ein wahres Traum-Reiseziel! Die Menschen und die ausnahmslose Natur haben meine Reise zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht.
Ich kann Avicenna nicht genug dafür danken, dass sie diese Reise gefördert haben. Die während dieser Zeit gesammelten Erfahrungen werden langfristig gesehen hoffentlich meine Arbeit als Ärztin positiv beeinflussen. Bereits jetzt haben sie meine Person in jedem Fall nachhaltig geprägt und dafür bin ich mehr als nur dankbar.
Sarah Boussouf ist Stipendiatin des Avicenna-Studienwerks und studiert Medizin an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.