Malaysia: Praktikum in Penang

Von September 2016 bis Februar 2017 absolvierte ich ein Auslandspraktikum bei der Firma Robert Bosch in Malaysia, Penang im Bereich „Car Multimedia“. In diesem Werk produziert Bosch Radio- und Navigationssysteme für seine Kunden. Während meines Praktikums war ich in der Abteilung „Customer Order Planning“ tätig. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich um Produktionsplanungsaufgaben. Unsere Aufgabe bestand darin, Kundenbestellungen entgegenzunehmen und dafür zu sorgen, dass die angeforderten Produkte rechtzeitig, in der richtigen Menge und der erforderlichen Qualität dem Kunden geliefert werden. Dazu muss ein hoher Koordinationsaufwand betrieben werden, da eine Planung von der Rohstofflieferung durch den Lieferantenbis zur Endmontage und dem Versand im eigenen Hause durchgeführt werden muss. Somit hat unsere Abteilung eine zentrale Rolle im Unternehmen eingenommen. Obwohl der Arbeitsaufwand sehr hoch war, bin ich sehr glücklich darüber, in dieser Position gelandet zu sein, da es mir dadurch möglich war, die gesamten internen Unternehmensprozesse über die eigene Abteilung hinaus entlang der Supply Chain kennenzulernen und zu verstehen. Dabei durfte ich sogar die alleinige Verantwortung für die Planung von zehn Teilenummern auf insgesamt drei Produktionslinien übernehmen.

Das Arbeitsleben in Malaysia ist von einer einmaligen Heterogenität geprägt, die auch die malaiische Gesellschaft sehr gut abbildet. Die Insel Penang, auf der ich gearbeitet habe, hat dabei ihre eigenen Besonderheiten. Denn hier bilden die Bürger chinesischer Abstammung (ca. 43%) die Mehrheit. Die restliche Bevölkerung verteilt sich hauptsächlich auf Malaien (ca. 41 %) und Inder. Aus historischen Gründen besetzen in der Arbeitswelt mehrheitlich Chinesen die höher bezahlten Positionen (white-collar), da diese meist eine bessere Ausbildung mitbringen als Malaien und Inder (blue-collar). Trotzdem hatte man immer das Gefühl, dass jeder gleichgestellt ist. Einen wesentlichen Anteil daran hatte die einheitliche Uniform, die jedem Mitarbeiter vorgeschrieben war. Sowohl der Werksleiter und die Führungskräfte als auch die Produktionsmitarbeiter tragen bei der Arbeit das gleiche Hemd (siehe Bild 2).

Am Arbeitsplatz wird hauptsächlich Englisch gesprochen. Dennoch ergeben sich ab und an skurrile sprachliche Konstellationen: Innerhalb einer ethnischen Gruppe spricht man die eigene Sprache, Chinesen sprechen mit Malaien auf Bahasa (malaiisch), Chinesen und Malaien unterhalten sich mit Indern auf Englisch. Für mich war es eine einzigartige Erfahrung diese Diversität mitzuerleben. Ich habe gelernt, mich auf verschiedene Kulturen und Traditionen gleichzeitig einzustellen. Dies wirkt sich nicht nur positiv auf die Arbeitskultur, sondern auch auf die Arbeitsergebnisse aus.

Obwohl mir die Bevölkerungsstruktur schon vorher bekannt war, fand ich es sehr ungewöhnlich, dass die chinesische Minderheit (auf das gesamte Land bezogen) die Elite im Land bildet. Trotz gelegentlicher Spannungen auf politischer Ebene, ist das alltägliche Leben zwischen den ethnischen Gruppen von Harmonie und gegenseitigem Verständnis geprägt. Zum Beispiel werden sowohl malaiische (muslimische) und chinesische (buddhistische) als auch indische (hinduistische) Feste in Malaysia nicht nur gefeiert, sondern es sind auch noch arbeitsfreie Tage im ganzen Land. Eine derartige Praxis, dass es in einem Land Feiertage mehrerer ethnischer und religiöser Gruppen gibt, ist mir aus der westlichen Welt nicht bekannt. Das macht Malaysia zu einem einzigartigen multikulturellen Land, indem es möglich ist, im Umkreis von wenigen Kilometern eine christliche Kirche, eine muslimische Moschee, einen buddhistischen oder hinduistischen Tempel zu finden.

Trotz der kulturellen Vielfalt ist Leben in Malaysia allgemein stark muslimisch geprägt. Für mich war es das erste Mal, dass ich über einen längeren Zeitraum in einem muslimischenLand gelebt habe. Die Vorteile äußerten sich zum Beispiel darin, dass man fast immer und überall halal essen konnte oder dass es den Muslimen vom Arbeitgeber gestattet wurde während der Arbeitszeit am Freitagsgebet teilzunehmen. Bosch hat dazu seine muslimischen Mitarbeiter freitags zwischen 12 Uhr und 14 Uhr freigestellt, ohne dass es von der Arbeitszeit oder vom Entgelt abgezogen wurde. Zusätzlich hat Bosch die Fahrt zur Moschee für seine Mitarbeiter selbst organisiert, indem es Busse zur Verfügung gestellt hat. Insgesamt wird mir mein Aufenthalt in Malaysia als eine unvergessliche Zeit in Erinnerung bleiben. Zum einen konnte ich für meinen akademischen Werdegang sehr wichtige internationale praktische Arbeitserfahrung sammeln, die mir ein einfaches Praktikum in Deutschland nicht ermöglicht hätte. Zum anderen lernte ich neue Kulturen, Freunde und Kollegen kennen, die mir geholfen haben, mich persönlich weiterzuentwickelnund als Mensch zu wachsen. Darüber hinaus konnte ich mich intensiver mit meinem Glauben und der Art und Weise wie der Islam in Südostasien gelebt wird auseinandersetzen. Daher kann ich jedem Avicenna-Stipendiaten das Land Malaysia als Auslandsziel nur ans Herz legen.

 

Esat Hakki Yunus ist Stipendiat des Avicenna-Studienwerks und studiert Betriebswirtschaftslehre an der Universität Stuttgart.

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