Bir dil, Bir Insan. Iki Dil, Iki Insan…
(Türkisches Sprichwort. Wörtlich: Eine Sprache, ein Mensch. Zwei Sprachen, zwei Menschen…)
- Der Sprachkurs
Hervorheben möchte ich, dass das Kostbare an einem Sprachkurs die Vielseitigkeit und Diversität der Menschen ist, mit denen man den Unterricht teilt. In meinen Kursen bei TÖMER kamen die meisten Menschen aus Syrien, Ägypten, dem Irak, Marokko, Russland und Taiwan. Diese heterogene Zusammensetzung empfinde ich als sehr bereichernd, vor allem in Diskussionen innerhalb des Unterrichtes.
Wichtig bei einem Sprachaufenthalt ist es, zu beachten, dass ein guter Lernerfolg nicht nur bedeutet, täglich im Unterricht zu lernen. Je nach Anspruch an einen selbst und den bestmöglichen Outcome setzt es vielmehr voraus, täglich mindestens noch einmal die gleiche Zeit außerhalb des Unterrichtes aufzuwenden, um den Kurs nachzuarbeiten, Vokabeln zu lernen, etc. Das habe ich gerne in der Turaibaba-Bibliothek in meinem Stadtviertel Kasimpasa gemacht. Empfehlen möchte ich auch noch meinen Lieblingsort: Die Atatürk-Bibliothek in der Nähe des Taksim-Platzes. Ich habe noch nie in einer so stillen Bibliothek gelernt, die Arbeitsatmosphäre ist brilliant, es gibt günstige Anlaufstellen für Cay und Simit. Der Ausblick ist fantastisch, man kann den Blick vom Türkisch-Buch über den Bosporus schweifen lassen… Zusätzlich punkten die Öffnungszeiten: 7 Tage in der Woche für 24 Stunden geöffnet. Allgemein habe ich festgestellt, dass sowohl das Personal als auch die Lernenden in den Istanbuler Bibliotheken viel mehr wert auf eine stille Atmosphäre legen als in den Bibliotheken, die ich aus Deutschland kenne, und es wirklich sehr ruhig ist. Zusätzlich traf ich mich einmal in der Woche mit meinem Sprachtandem (Tipp: Aushang beim Goethe-Institut erstellen), und besuchte einmal in der Woche ein Deutsch-Türkisches Sprachgruppentreffen. Beides ist sehr empfehlenswert, insbesondere für die Sprachpraxis, da jedeR einzelne in den großen Sprachklassen kaum zum Reden kommt.
Bei TÖMER besteht ein Sprachlevel wie A1 oder B2 aus insgesamt drei Kursen. Während der drei Monate bei TÖMER konnte ich das Niveau B1 abschließen, da ich mit dem Niveau A2 begann. Ein Kurs dauert immer vier Wochen. Unterricht findet entweder täglich als Intensivkurs oder drei Mal in der Woche statt, von 09 – 12:50 Uhr oder von 14 – 17:50 Uhr. Es wird eine Anwesenheitsliste geführt, während eines Kurses darf man maximal zwei Mal fehlen, davon nur einmal ohne offizielle Begründung. In der Sprachschule gibt es sehr viele Türkisch-Klassen (11 finden parallel statt) mit unterschiedlichen Niveaus, wobei eine Klasse maximal aus 16 SprachschülerInnen bestehen soll. Dabei findet immer nur alle zwei Monate eine Abschlussprüfung statt. In der Regel hat man jeden Monat eine neue Lehrerin/ einen neuen Lehrer. Diese haben theoretisch die Aufgabe, die vier Elemente Lesen, Schreiben, Hören und Reden in den Unterricht einzubauen. Praktisch steht und fällt die Umsetzung und die Unterrichtsqualität mit den Lehrpersonen.
- ISTANBUL
Seit meines 9-monatigen Aufenthalts in Istanbul vor 3,5 Jahren ist die muslimisch geprägte Stadt ein großer und wichtiger Teil meines Lebens geworden. Die Erfahrung, die ich nun sprechend machen konnte, hat es mir ermöglicht, als Fremde in dieser Stadt eine Heimat zu finden. Durch den Aufenthalt und das Lernen der Landessprache in Istanbul habe ich eine Stadt, ein Land, eine Welt hinzugewonnen, die mir eine andere Sicht auf die Dinge gegeben hat und viele Möglichkeiten eröffnete und so Gott will in der Zukunft eröffnen wird. Dabei überfordert die Riesenstadt erst einmal jeden, der sie besucht. Niemand könnte hier abreisen ohne das unbefriedigende Gefühl, längst nicht alles gesehen und stattdessen viel zu viel verpasst zu haben. Aus Istanbul lässt sich nicht schlau werden. Istanbul verstört. Istanbul beglückt. Gerade das Chaotische, Halbfertige bringt den Ort zum Vibrieren. Hier öffnen sich deine Poren. Das ist wie ein Gang in den Hamam, und abgeschrubbt zu werden. Danach kommst du heraus, und deine Haut atmet wieder… Dabei bläst die Stadt alle Klischees zu Staub. Das verzerrte Bild der Türkei in Deutschland ist eindeutig immer noch von Orientalismen des 19. Jahrhunderts geprägt und trägt inzwischen eine große Staubschicht. Durch den Sprachkurs konnte ich Land und Leute noch besser kennen lernen und mit ihnen sprechen, statt über sie – das ist ein großes Privileg!
- YABANCI HAYATI (DAS LEBEN EINER AUSLÄNDERIN)
Mir ist durch meinen Aufenthalt wieder bestätigt worden: Das Verlassen der Komfortzone, sich, vor allem auch als Frau, eigenständig ein Leben in ungewohnter Umgebung aufzubauen, hinterlässt Spuren, formt den Charakter und schärft die Wahrnehmung der Welt. In einem Land zu leben, in dem eine andere Sprache gesprochen wird, man seine fremdsprachlichen Kompetenzen erproben kann bzw. muss, und in der es andere Alltagsdiskurse, Themen, Konflikte, Lösungsversuche und eine Vielfalt an unterschiedlichen Wertesystemen gibt, ist eine Erfahrung, die einen wichtigen Beitrag in der eigenen Persönlichkeitsentwicklung leistet. Dabei spreche ich nicht nur von den Momenten, in denen man glücklich ist, verstanden zu werden, sich artikulieren zu können. Auch das Gefühl, sprachlich völlig verloren zu sein (in Behörden ist die Wahrscheinlichkeit dafür sehr groß), das Gefühl, sich nicht verständigen zu können – sprach- und dadurch machtlos zu sein- , das Gefühl, nicht dazu zu gehören, obwohl man sich bemüht… das Gefühl, immer der Yabanci (Ausländer) zu sein, und deswegen oftmals nicht gleichwertig behandelt zu werden, prägt uns. Es sind Erfahrungen, die unseren Charakter formen, uns zunächst verzweifeln, aber dann auch innerlich wachsen lassen. Nach der Erschwernis kommt die Erleichterung. Für mich bedeuten diese Erfahrungen auch, meine Empathie mit den neu in Deutschland angekommenen Menschen zu steigern, die auf Behörden verzweifeln, wenn sie mit ihrem stolz angeeigneten B1- Sprachkenntnissen auf ungeduldige BeamtInnen treffen. Sprache, so spürte ich, ist kein neutrales Medium, sondern vielmehr auch ein Instrument sozialer Distinktion, das dazu dient gesellschaftlich-institutionelle Unterscheidungen zu treffen. Das heißt, je nach Sprachkompetenz werden Hierarchien hergestellt und reproduziert und dabei die SprecherInnen anhand ihrer Sprachfähigkeit eingeteilt. Das kann sehr verletzend sein und das Gefühl der Fremdheit verstärken. Gleichzeitig ist meine Situation natürlich nicht wirklich zu vergleichen, da ich mich dem Gefühl und den Herausforderungen freiwillig gestellt habe und theoretisch jederzeit hätte zurückgehen können. Mit meinen erweiterten Sprachkenntnissen möchte ich nun auf jeden Fall diejenigen Menschen unterstützen, mehr noch als ich es vorher konnte. Dies war auch mein größtes Ziel, da viele Syrerinnen und Syrer vor ihrer Ankunft in Deutschland in der Türkei lebten und sehr gut türkisch sprechen.
Ich durfte vier Monate lang Istanbul leben, Istanbul atmen. Ich habe viel gelernt, gelacht und auch geweint, ich wurde inspiriert, habe viel sehen, hören, fühlen und erleben dürfen. Das Leben in dem muslimisch geprägten Land hatte dabei einen sehr stärkenden Effekt auf meine Spiritualität, was für mich einer der bedeutendsten Outcomes des Sprachkursaufenthaltes ist. Mir fällt es noch schwer, diesen intensiven Weg der Inspiration, des Wissens und des Glaubens, der Energie, Kreativität und Entdeckungen zu beschreiben. Istanbul (und damit die Türkei) ist für mich ein Ort geworden, den ich heute eine Heimat nennen kann. Für mich bedeutet meine Zeit in der Türkei: neues sehen, kennen lernen und zu verstehen versuchen. Verstehen – das geht nun einmal am besten durch Kommunikation, durch Sprache. Das Leben als Sprachschülerin in der Türkei war eine sehr, sehr intensive Erfahrung und ich bin dem Avicenna-Studienwerk sehr dankbar dafür, meinen anfänglich kleinen „Türkisch Insan“ wachsen lassen zu können. Ich freue mich darauf, dies nun mit Gottes Hilfe gewinnbringend auch für andere Menschen einsetzen zu können.
Mira Hazzaa ist Stipendiatin des Avicenna-Studienwerks und studiert Erziehungswissenschaften an der Universität Osnabrück.
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